Fahrrad- / E-Bike Kauf
Continental 48V Prime Antrieb – Fahrtest – der unauffällige Newcomer
Für das Modelljahr 2018 hat der Automobilzulieferer Continental erstmals zwei komplett eigene E-Bike Antriebe vorgestellt. Bisher hat man bei Continental auf den Brose Motor gesetzt, welcher aber mit eigener Steuerungssoftware, Bedienelementen sowie einem eigenen Akku ausgestattet wurden. Der neue Prime Antrieb von Continental ist dabei rein theoretisch gleich leistungsstark wie der Revolution Antrieb, verfügt aber nicht über die interne, stufenlose Schaltung wie der Revolution. Dafür ist Continentals Prime Antrieb deutlich leichter als sein großer Bruder mit integrierter Schaltung.
Der Antrieb wird von Continental mit einem maximalen Drehmoment von 70 Nm gelistet, damit sollte er also theoretisch ähnlich stark wie Shimanos E-8000, Yamahs PW und PW-SE Antrieb sowie Boschs Performance Line CX sein. In unserem Test wollten wir genau das herausfinden und schauen, was Continental mit seinem neuen Prime Motor besser oder schlecht macht als die Mitbewerber. Mit einem Gewicht von laut Hersteller 3,9 kg bewegt er sich 2018 eher im Bereich der Schwergewichte, Bosch, Brose, Shimano oder Yamaha können das inzwischen schon deutlich besser. Wir haben den Antrieb, welcher für 2018 in allen E-Bike Manufaktur Rädern verbaut ist in verschiedenen Modellen dieses Herstellers ausprobiert.
Eines der großen Themen in allen Ankündigungen und Presseberichten zu den beiden neuen, eigens entwickelten Motoren von Continental ist die Tatsache, dass es sich um 48 Volt Systeme handelt. Dies machen zwar andere Hersteller schon seit Jahren - Bosch, Yamaha, Brose, Shimano etc. - sind aber alle noch bei 36 Volt, dem derzeitigen quasi Standards der E-Bike Branche. Conti hingegen ist Automobilzulieferer und im Fahrzeugbereich daheim. Hier ist für große Teile der Bordelektronik 48 Volt der zukünftige Standard. Ob sich hieraus ein reeller Vorteil ergibt, lesen Sie in diesem Testbericht.
Mit dem 13-zehn hat die E-Bike Manufaktur ein hochpreisiges Trekking E-Bike mit dem
neuem 48V Prime Antrieb von Continental aufgelegt
Es kommt mit XT-Schaltung, Paragon-Gabel von RockShox und 600 Wh Akku
Zielgruppe des Continental 48V Prime Antriebs
Bei dem Prime Antrieb von Continental handelt es sich um einen Motor der auf Trekking- und Cityradler abzielt. Also Tourenfahrer und Stadtradler, welche kürzere oder längere Strecken auf ihrem Rad zurücklegen. Nicht gedacht ist der Motor für grobe Geländefahrten, hierzu reagiert er zum einen „zu träge“ und ist zum anderen nicht leistungsstark genug. Wer schnell unterwegs sein will anstatt gemütlich, der sollte ebenfalls nach anderen Motoren schauen. Extreme Steigungen lassen sich mit anderen Motoren als dem Continental Prime entspannter bzw. schneller bewältigen.
Bergfahrten sind mit dem Prime Antrieb eigentlich kein Problem,
bei sehr steilen Anstiegen oder einer gewünschten hohen durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit
schlagen sich allerdings andere Antriebe deutlich besser
Wen die Geräuschkulisse eines Bosch- oder Yamaha Motors bisher nicht gestört hat, der kann statt zum Yamaha oder der Bosch Active Line / Performance Line in Zukunft eventuell zum neuen Continental Prime Antrieb greifen. Der alte Conti-Antrieb, welcher auf Brose basierte, war dagegen deutlich leiser. Interessant ist er auch wegen des großen 600 Wh Akkus, welcher in den Rahmen komplett integriert aber abnehmbar ist. Das wird z.B. beim Modell 13zehn sogar im Tiefeinsteiger-Modell ansehnlich umgesetzt. Kostenlos zum Antrieb dazu gibt es eine Continental Smartphone-App, welche für Android und IOS erhältlich ist. Sie bietet neben einer Navigationsfunktion mithilfe von Offline-Karten, eine Aufzeichnung der Fahrstecke sowie einer Reichweitenberechnung anhand verschiedener Daten wie Gewicht, Topographie oder der Beschaffenheit der Wege. Die Hinweise zur Navigation sowie weitere Infos erscheinen auf dem Display, das Handy kann dabei in der Tasche bleiben.
Die Smartphone-App des Continental Antriebs erlaubt bei Prime und Revolution
die Nutzung einer Navigationsfunktion
- hier zu sehen die Einstellung zum Fahrerprofil für eine genauere Reichweitenberechnung
Unterstützungsstufen des Continental Prime – anfänglich verwirrend
Die Bezeichnung der jeweiligen Unterstützungsstufen fanden wir etwas verwirrend und wenig intuitiv. Die Schiebehilfe wird ähnlich wie bei Shimano über Wahl des „S-Modus“ also des Schiebehilfe-Modus möglich, dann muss die „Plus-Taste“ gedrückt gehalten werden. Danach wird automatisch wieder in den Off-Modus – hier „0“, gewechselt. Die Bezeichnung „B“ für den Boost-Modus ist ebenfalls nicht selbsterklärend. Zudem brachte der Boost-Modus in unseren Tests nicht signifikant mehr Leistung als die Stufe 3 direkt davor. Es ändert sich weder extrem das Ansprechverhalten als auch die Leistungsentfaltung. Der Anschalter des Systems – also der Powerbutton – ist ebenfalls eher versteckt, er befindet sich ganz vorne unten am Bedienelement.
Los geht's - der Powerknopf zum Anschalten will beim neuen Continental Antrieb
erstmal gefunden werden, er ist doch eher versteckt wenn man auf dem Rad ist
Stufe 1 ist in der Ebene relativ gut verwendbar, liegt leistungsmäßig leicht unter dem Eco-Modus von Bosch. Stufe 2 kann in der Ebene verwendet werden, wenn man nochmals entspannter Fahren möchte. Stufe 3 eignet sich für leichtere Anstiege, wohingegen bei stärkeren Steigungen von mehreren Prozent die Boost-Stufe verwendet werden muss. Die Wahl der Unterstützungsstufen ist durch die teils als Wippe ausgeführte Bedieneinheit sehr intuitiv und angenehm. Dabei ist auch eine Bedienung mit leichten Winterhandschuhen gut möglich. Die anderen Tasten, wie etwa die Menü-Taste sind dabei schon schwerer mit Handschuhen zu bedienen.
Mit der Bedienwippe ist Continental eine durchdachte und angenehmeBedieneinheit für ihre neues
48 Volt Antriebssystem gelungen - nur der Anschaltknopf hätte anders platziert werden können
Display und Smartphone-App des Continental Prime
Die Display Informationen sind gut ablesbar und ansprechend gestaltet. Leider jedoch lässt sich das relativ große Display nicht abnehmen, ist somit also Dieben oder Vandalismus ausgesetzt, was durch seine ausladende Position nochmals verstärkt wird (Sturz).
Die angezeigten Infos sind sehr nützlich und erstrecken sich auch auf die eigene Tretleistung in Watt sowie die derzeit gefahrene Trittfrequenz.
Angaben wie Tagesstrecke, Gesamtstrecke, Durchschnittsgeschwindigkeit, Maximalgeschwindigkeit sowie die Fahr- und Uhrzeit lassen sich ebenfalls abrufen. Einige Angaben lassen sich auch zurücksetzen, interessanterweise über ein längeres gedrückt Halten der „Beleuchtungstaste“.
Die Anzeige des Continental E-Bike Antriebs "Prime" stellt alle wichtigen Fahrinformationen
übersichtlich dar - die beiden unteren Angaben können durch Drücken der Menütaste "M" an der Bedieneinheit durchgeschalten werden
Das Display lässt sich über eine App für Android und IOS mit dem Smartphone koppeln (Conti eBike App). Darüber lassen sich derzeit Routinginformationen auf das Display übertragen, was über Bluetooth stattfindet. Damit dabei dem Handy nicht zu schnell der Saft ausgeht, kann es über einen – etwas versteckten – USB-Anschluss an der Unterseite der Displayhalterung geladen werden. Routen lassen sich über die App auch aufzeichnen, zudem werden auf dem E-Bike Display z.B. Informationen zum Zielort angezeigt wie das voraussichtliche Wetter am Zielort bei Ankunft. Unserem ersten Eindruck nach ist Continental damit im Bereich E-Bike Navigationslösungen ganz weit vorne dabei. Einen ausführlichen Praxistest mit dieser konnten wir aber bisher leider noch nicht durchführen.
- es kann dabei in der Tasche bleiben
Unterstützungsleistung am Berg des Prime Antriebs - Vergleich Bosch und Continental
Beim Test am Berg zeigt sich was wirklich in einem Motor steckt. Hier waren mit dem Modell „13zehn“ von der E-Bike Manufaktur an leichten Anstiegen rund 25 km/h gut erreichbar, wenn auch mit vergleichsweise hoher eigener Anstrengung. Wird es jedoch zweistellig muss der Motor gut arbeiten. An einem zwölfprozentigen Anstieg waren nur noch rund 15 bis 18 km/h möglich, mit im Schnitt rund 150 bis 200 Watt eigener Leistung (Angabe Continental Display). Damit liegt der Continental Prime Mittelmotor etwas unter dem Leistungs-Niveau der Performance Line von Bosch (60 Nm) und leicht über der Active Line Plus (50 Nm).
Am Berg kann der E-Bike Antrieb von Continental weniger überzeugen
die beworbenen 70 Nm kommen bei der Konkurrenz am Berg besser zum Zug
Der Motor scheint eher leichtere Gänge zu bevorzugen, pedaliert man langsamer und mit mehr Kraft, so sinkt die Leistung am Berg relativ stark ab. Das können andere Hersteller – wie besagte Bosch – besser. Hier kann auch bei relativ langsamer Tretbewegung noch vergleichsweise viel Leistung am Berg abgerufen werden. Alles in allem hatten fast alle Testfahrer den Eindruck, dass der Antrieb sich nicht nach den beworbenen 70 Nm anfühlt.
Bosch und Continental im Duell: wer einen Bosch Motor gewöhnt ist,
wird vom Continental Antrieb doch eher enttäuscht - dieser bringt trotz 70 Nm maximalem Drehmoment
nicht die Leistung am Berg wie etwa Marktführer Bosch mit seinem Performance Line Antrieb
- er liegt ca. zwischen Active Line Plus und Performance Line
Drehmomentangaben für Käufer quasi nichtssagend
Hier zeigt sich wieder einmal, dass Papierangaben von maximalen Drehmomentwerten quasi „für die Tonne“ sind. Das hat vor allem damit zu tun, dass ein Motordrehmoment immer in Abhängigkeit von einer bestimmten Trittfrequenz erreicht wird. Pedaliert man zu langsam oder zu schnell bekommt man also nicht die maximal mögliche Unterstützung. Zudem kann es vorkommen, dass der Motor in einem ungünstigen Drehzahlbereich arbeitet, sodass die Effizienz sinkt und damit auch die beim Fahrer ankommende Unterstützungsleistung. Die höchste Effizienz soll beim Continental Prime Motor übrigens bei rund 70 bis 80 Umdrehungen pro Minute an der Kurbel liegen.
Klassenprimus bezüglich Drehmomentangaben ist sicherlich Bosch
die 75 Nm des CX Antriebs machen sich deutlich bemerkbar
der Prime Antrieb fühlt sich eher an wie eine Mischung aus Active Line und Performance Line
Akku des Continental Prime, Energie – Entnahme – Einbau
Die von uns getesteten Fahrräder der E-Bike Manufaktur verfügten allesamt über einen Nennenergiegehalt von 610 Wattstunden, der verbaute Akku war in den Rahmen integriert. Es gibt aber auch Modell mit „nur“ 500 Wh, beides in der Regel genug Akkuleistung für gewöhnliche Tagestouren ohne übermäßig viele Höhenmeter.
Dank 48 Volt Systemspannung hat die Batterie des Continental Rads
stolze 610 Wh - die meisten anderen sind noch auf 36 Volt
Die Entnahme des Akkus aus dem Rahmen ist auf beim ersten Mal wenig intuitiv. Er muss von oben seitlich hineingeschoben werden, quasi ein einem Art Kreisbogen. Die Lösung erinnert an die Integrale Modelle von Kalkhoff mit Impulse Motor. Bei Continental ist es allerdings etwas besser gelöst, da bei Continental bzw. der E-Bike Manufaktur eine gleichzeitige Drehung des Akkus entfällt. Will man den Akku mit der Hand an der Mitte entnehmen, so ist das nicht möglich. Erst wenn man mit der Hand am oberen Rahmenrohr dagegen hält, während man den Akku nach außen drückt, lässt er sich entnehmen. Hier ist sicherlich noch Verbesserungsspielraum. Zwar gewöhnt man sich daran, für Leute ohne Vorkenntnisse ist es allerdings umständlich den Akku zu entnehmen.
Der Einbau des Akkus nach dem Laden ist dafür denkbar einfach und schnell. Unten den Akku in den Rahmen bzw. die Nut am Akkuhalter eingesetzt und oben in den Rahmen drücken. Mit einem satten Klick ist der Akku sicher im Rad angebracht. Beim Fahren waren vom Akku keinerlei Klappergeräusche zu vernehmen.
Besser als bei anderen integrierten Rahmenakkus, aber beim ersten Mal doch eher kompliziert
der Akku ließ sich beim Modell 13-zehn der E-Bike Manufaktur nicht ganz so leicht entnehmen
wie etwa bei Boschs Intube Akku, aber deutlich besser als bei Kalkhoffs Integrale Modellen
Welche Reichweite lässt sich mit dem Continental Prime erzielen
Zur Effizienz des Antriebssystems sowie der zu erzielbaren Reichweite lassen sich nur schwer Aussagen treffen. Zu stark ist die Abhängigkeit von verschiedenen Parametern, welche von Fahrer zu Fahrer stark unterschiedlich sind. Neben dem Faktor Fahrergewicht ist das vor allem auch die eigene Fahrweise. Darunter fallen etwa die Gleichmäßigkeit des Pedalierens, die Wahl der verschiedenen Unterstützungsstufen, oder aber auch die eigene Trittfrequenz. Laut Continental soll der effizienteste Bereich des Motors bei einer Trittfrequenz von rund 70 bis 80 Kurbelumdrehungen pro Minute liegen. Ein Bereich, welche von durchschnittlich trainierten Radlern in der Regel gut erreicht werden sollte. Mehr zum Thema Akkureichweite und sparsame Fahrweise mit dem E-Bike erfahren Sie in unserem Hintergrundartikel dazu.
Ladevorgang beim Prime Antrieb mit integriertem Akku
Laut einem Aufkleber auf dem des E-Bikes beigelegten Ladegerät, soll der Ladevorgang des Akkus nur außerhalb des Rads stattfinden, das Laden mit Akku im Rad funktioniert kurioserweise aber dennoch. Der Ladestecker ist zwar mit einem Pfeil markiert, das Einstecken am Rad klappte aber dennoch nicht auf den ersten Versuch. Hat man es dann mehrmals gemacht, klappt es problemlos.
Das beigelegte Ladegerät lädt mit maximal 3,33 Ampere, sodass sich beim größten Akku mit 610 Wh eine Ladedauer von 5,5 h ergeben soll. Die Größe des Ladegeräts entspricht der anderer E-Bike Systeme, z.B. dem Bosch Standard-Charger.
Zwar wird der Akku mit einer höheren Spannung geladen (50,4 Volt), somit kann auch der Strom kleiner werden
warum aber dennoch auf nur 3,33 Ampere Ladeleistung wurde uns nicht ganz klar
ein kompletter Ladevorgang dauert damit rund fünfeinhalb Stunden
Fazit zum Test des Continental Prime Antriebs und Kaufempfehlung
Der Prime Motor des Automobilzulieferers Continental ist mit seinen 48 Volt Systemspannung sicherlich nicht die Revolution, welche in den Medien teils angekündigt wurde. Ob es sein Bruder, der Continental „Revolution“ wird, ist bisher schwer abzusehen. Der Motor mit integriertem stufenlosem Getriebe auf „NuVinci“ Basis, ist Stand Anfang Juni 2018 noch extrem schwierig verfügbar. Wie man sich bei Continental auch bewusst ist, sind 48 Volt beim E-Bike keine Weltneuheit, sondern schon längere Zeit im Einsatz.
Am ehesten lässt sich der Continental Prime E-Bike Motor mit dem Prädikat „unauffällig“ beschreiben. Er ist weder besonders schwach noch stark, oder überzeugt mit außergewöhnlichen Eigenschaften. In all unseren Testfahrten macht er bisher aber einen guten Job und einen soliden Eindruck.
Es bleibt also spannend wie Continental das neue, eigene Antriebssystem in Zukunft noch weiterentwickeln wird. Unserer Ansicht nach muss um Konkurrenz fähig zu bleiben, noch die eine oder andere Modernisierung einfließen. Zudem brauchte fast jeder Antriebshersteller bisher eine weitere Antriebsgeneration um Kinderkrankheiten auszumerzen und aus anfänglichen Fehlern zu lernen. Es wird sich zeigen müssen, ob das auch bei Continental der Fall ist.
Für das Modelljahr 2019/2020 hat Continental ein Partnerschaft mit dem Fahrradhersteller Kalkoff angekündigt. Gemeinsam sollen verschiedene Anpassungen und Verbesserungen erfolgt sein. Wir sind gespannt, wie sich die verbesserte Antriebsversion fährt und berichten sobald ein Test möglich war.
Die echte Revolution bei Continental steht noch aus
- das bezieht sich sowohl auf den Prime Antrieb welcher eher unspektakulär daherkommt
als auch die bisher schlechte Verfügbarkeit der Continental 48V Revolution Antriebssysteme