Fahrradtypen
Liegerad
Wie der Name schon andeutet, wird hierbei nicht auf einem Sattel gesessen, sondern eher eine liegende Haltung eingenommen. Dies hat zur Folge, dass anders als beim normalen Rad mit relativer aufrechter Haltung, nicht nur eine sehr kleine Fläche stark belastet wird, sondern sich das Körpergewicht auf den großen Sitz verteilt. Die Haltearbeit muss somit auch größtenteils nicht mehr vom Körper erledigt werden, sondern der Sitz übernimmt die stützende Funktion.
So bequem sitzt bzw. liegt es sich auf einem Liegerad - perfekte Druckverteilung auf der großen Auflagefläche für Becken, Rücken und Po
Wie auch beim normalen Fahrrad gibt es beim Liegerad verschiedenste Sitze für verschiedenste Ansprüche (sportlich, bequem, Tourenorientiert etc.)
Neben der eher nach hinten geneigten Körperhaltung ist auch die Tretrichtung komplett anders als bei klassischen Rädern, seien es Mountainbikes, Stadträder oder Rennräder. Bei letzteren wird jeweils nach unten getreten, wohingegen bei Liegerädern die Tretrichtung eher nach vorne oder leicht nach oben geht, je nach Ausführung.
Wie auch der Begriff Fahrrad viele verschiedene Radgattungen unter sich vereint, gibt es auch diverse Liegeradkategorien, in welche dieser Fahrradtype sich untergliedert. Folgende, relativ grundlegend unterschiedlich konstruierte Typen lassen sich hierbei nennen:
- Langlieger
- Kurzlieger
- Bauchlieger
- Rückenlieger
- Einspurige Liegeräder
- Mehrspurige Liegeräder
- Velomobile
- Delta-Bauweise
- Tadpole-Bauweise (eng. für „Kaulquappe“)
Unter diese Liegeradarten gibt es auch verschiedenste Kombinationen, wie etwa einspurige Rückenlieger, oder mehrspurige Velomobile. Jeder dieser Typen beschreibt also nur gewisse bauartige Unterschiede, welche meistens in Kombination auftreten.
Mögliche Vorteile eines Liegerades:
(Vor- und Nachteile teils Liegeradtypen abhängig)
- Klassische Radfahrerschmerzen, vor allem bei Radfahranfängern oder Wiedereinsteigern entfallen.
Hierrunter fallen etwa Nacken- oder Rückenschmerzen sowie Wundreibungen am Gesäß oder Taubheitsgefühle in Genitalbereich oder Händen. Dies wird durch den Einsatz eines großflächigen Sitzes erreicht, auf welchem sich die Last gut verteilen kann, anstatt sich wie beim klassischen Rad auf wenige Kontaktpunkte zu konzentrieren (Hände, Gesäß, Fuß). Siehe hierzu auch „Unterschiede bei der körperlichen Beanspruchung von Liegerad und Aufrechtrad“.
- Geringere Fallhöhe bei einem Sturz, zudem trifft man anstatt mit dem Kopf eher mit den Füßen zuerst auf.
- Aufgrund des tiefen Schwerpunkts ist die Gefahr des Über-den-Lenker-Absteigens im Vergleich zum klassischen Rad praktisch nicht gegeben.
- Durch die kleinere Windangriffsfläche haben Liegeräder vor allem bei hohen Geschwindigkeiten (> 25 km/h) einen Vorteil aufgrund des geringeren Luftwiderstand, welcher exponentiell ansteigt. Dies liegt in der tieferen Position des Fahrers begründet, welcher sich in der Regel meist sogar tiefer befindet als Rennradfahrer in der Unterlenkerposition. Der Luftwiderstand wirkt beim normalen Rad oft Geschwindigkeitsbegrenzend, vor allem bergab, sodass bei hoher Geschwindigkeit weniger Tretenergie notwendig ist wie für die gleiche Geschwindigkeit mit einem Normalrad.
- Die verschiedenen Muskelgruppen werden anders angesprochen als beim Aufrechtradfahren, dadurch lassen sich unter Umständen spezielle Trainingseffekte erzielen (ähnelt von der Beanspruchung dem Laufen).
- Durch die längere Kette am Liegerad, bedingt durch den größeren Abstand zwischen Kettenblatt und Antriebsritzel verteilt sich der Verschleiß auf mehr Kettenglieder, was die Langlebigkeit der Kette merklich erhöht. Auch Ritzel und Kettenblätter leben durch die geringere Kettendehnung somit länger.
- Vielerlei Varianten eines Wetterschutzes sind für Liegeräder erhältlich, was sie gerade für Allwetterradfahrer relativ interessant machen kann.
- Liegefahrräder sind noch vergleichsweise wenig verbreitet, sodass die Aufmerksamkeit der Autofahrer meist erhöht ist, da es sich für sie um ein unbekanntes Gefährt handelt.
- Studien aus Holland ergaben, dass beim Liegeradfahren der Ruhepuls niedriger ist, als bei der Fahrt mit einem gewöhnlichen Fahrrad, was somit bei Belastungsspitzen mehr Leistung zulässt.
- Große Spurentreue im Vergleich zum Aufrechtrad (mehrspurige Liegeräder), macht es für ungeübte Radler leichter auf engen Radspuren zu manövrieren oder Hindernisse zu Umfahren.
Mögliche Nachteile eines Liegerades:
(Vor- und Nachteile teils Liegeradtypen abhängig)
- Aufstehen zum Einsatz der Beine als Federung schlecht möglich, Federungselemente werden also vor allem bei rauem Gelände quasi Pflicht. Als problematisch können sich hier (wie übrigens auch beim normalen Rad, welches hinten nicht gefedert ist) vor allem Stöße im Rücken- und Bandscheibenbereich erweisen.
- Tragekomfort aufgrund der anderen Form vor allem bei dreirädrigen Liegerädern meist eher schlecht, höheres Gewicht erschwert zudem noch das Anheben und Transportieren (etwa per Bahn oder eine Treppe hinauf).
- Hindernisse lassen sich nicht überspringen, müssen also über- oder umfahren werden.
- Da der Schritt beim Fahren eher nach vorne anstatt nach unten gerichtet ist, ist das Tragen eines Rocks beim Liegerad problematisch.
- Durch die eher nach hinten anstatt nach vorne geneigte Sitz- bzw. Liegeposition sind Liegeräder in der Regel etwas länger als gewöhnliche Räder, was das Wenden mit ihnen erschwert.
- Dreirädrige Liegeräder (Trikes) sind um einiges breiter als gewöhnliche Räder und bieten somit beim Durchfahren enger Einfahrten oder Wege ähnliche Schwierigkeiten wie etwa Kinderanhänger. Darüber hinaus werden heute bei Radwegplanungen Fahrradzeuge wie Trikes, Kinderanhänger und Lastenanhänger, quasi gar nicht berücksichtigt, sodass gerade zweispurige, gegenläufige Radwege eine Gefahrenquelle sein können.
- Kurvenmanöver bei hohen Geschwindigkeiten können bei dreirädrigen Liegerädern mit hohem Schwerpunkt vergleichsweise leicht zum Kippen führen, das gleiche Phänomen gilt für Schrägfahrten am Hang.
- Einspurige Liegeräder erfordern eine Umgewöhnung im Vergleich zum herkömmlichen Fahrrad. Bei den ersten Anfahrversuchen ist eine zweite Person zur Hilfestellung sehr nützlich, am Anfang ist das Verhalten beim Anfahren und Stoppen etwas gewöhnungsbedürftig.
- Blick nach hinten ähnlich schwierig wie beim Auto, weswegen bei Liegerädern gerne mit Spiegeln gearbeitet, um diesen Nachteil zu kompensieren.
- Da sich der Fahrer und das Fahrrad relativ nahe am Boden befinden, ist es für Autofahrer schwerer, den Liegeradfahrer zu erkennen. Hierbei kann eine grelle Lackierung, reflektierende Elemente oder eine Fahne zur Hilfe genommen werden. Gerade Liegeradanfänger sind aufgrund dessen im hektischen Stadtverkehr oft unsicher.
- Ein Wiegetritt wie beim klassischen Rad ist auf dem Liegerad nicht möglich, durch die bequeme und Rückenentlastende Sitzposition aber auch oft nicht so häufig notwendig. Die Mithilfe der Muskelgruppen beim Anstieg fällt anders aus, es wird mit einer gesteigerten Grundspannung gearbeitet, welche den ganzen Oberkörper miteinbezieht.
- Spezielle Teile und Rahmen sind am Liegerad erforderlich, etwa Schutzbleche oder Sitze, welche die Ersatzteilbeschaffung erschweren und den Anschaffungspreis in die Höhe treiben.
- Die Fahrradkette an einem Liegerad ist aufgrund des großen Abstandes der Tretkurbel von dem angetriebenen Rad oft bis zu zwei oder drei Mal so lang als normal. Damit diese nicht durchhängt muss mit Umlenkrollen oder ähnlichen Vorrichtungen gearbeitet werden.
- Die Einfahrt in eine Kreuzung wird durch die relativ weit hinten gelegene Kopfposition erschwert.
- Durch die geringen Fertigungszahlen und oft erforderlichen Spezialteile sind die Einstiegspreise im Vergleichen zu normalen Rädern sehr hoch (etwa > 1500 Euro).
Radgrößen bei Liegerädern
Herkömmliche Fahrräder setzten, Kinderräder einmal ausgenommen, auf große Räder mit Durchmessern von meistens mehr als 600 mm (Trekkingräder, 29 Zoll Mountainbikes, Rennräder etc.). An Liegerädern kommen vornehmlich kleinere Räder, etwa mit 20 Zoll (sprich 406 mm Innendurchmesser) zum Einsatz. Dieser Standard am Liegerad hat mit der Positionierung des Tretlagers und somit auch der Pedale zu tun. Größere Radumfänge hätten zur Folge, dass das Tretlager sehr weit oben sitzen müsste und man somit praktisch anstatt nach vorne sehr stark nach oben zu treten hätte. Dies würde sich unter anderem sehr schlecht auf den Schwerpunkt des Rades und somit auch die Lastenverteilung und das Kurvenverhalten auswirken.
Aufgrund der geringen Entfaltung (= Weg der bei einer Radumdrehung zurückgelegt wird) haben diese kleinen Räder vor allem einen Nachteil – der höhere Verschleiß. Ebenfalls muss aufgrund der geringen Entfaltung zum Zurücklegen des gleichen Weges ein sehr großes Kettenblatt eingesetzt werden, im Vergleich zum normalen Fahrrad. Gängig sind deswegen etwa Kettenblätter mit mehr als 60 Zähnen, was sogar nicht mal bei den auf Geschwindigkeit getrimmten Rennrädern zum Einsatz kommt.
An manchen Modellen wird am Hinterrad auf eine andere Radgröße gesetzt, etwa 26 oder 28 Zoll große Reifen. Wird dieses nämlich anstatt dem Vorderrad angetrieben, so sind die Entfaltung und damit auch der Verschleiß gleich dem eines herkömmlichen Rads. Da dies hinter dem Fahrersitz liegt, stört der große Platzanspruch hier auch nicht so sehr wie am Vorderrad.