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Wir stellen vor, Fahrradverkehr

Im Gespräch mit dem ADFC - Allgemeiner deutscher Fahrrad-Club

Im Rahmen der Eurobike 2016 war es uns möglich ein Interview mit Frau Krone, der Pressesprecherin des Bundesverbandes des ADFC – zu führen.

Anmerkungen der Redaktion, welche zum Verständnis beitragen sollen, sind in eckigen Klammern aufgeführt. […]

Im Gespräch mit dem ADFC - Allgemeiner deutscher Fahrrad-Club

Bitte erklären Sie doch kurz in wenigen Sätzen was der ADFC macht und welche Ziele er verfolgt.

Krone: Der ADFC will durch politische Arbeit und Verbraucherinformation dazu beitragen, dass in Zukunft mindestens 25 Prozent Radverkehrsanteil in Deutschland möglich sind. Außerdem sollen noch mehr als die 30 Millionen Menschen die bisher das Fahrrad regelmäßig nutzen, das auch mit Freude und über längere Distanzen hinweg tun. Und dafür arbeiten wir politisch auf allen Ebenen – auf EU Ebene, auf Bundeseben, auf Landes- und Kreisebene und sind mit unseren ehrenamtlichen Strukturen eben auch über all präsent. Wir haben den  Bundesverband, Sitz in Berlin, dieser macht die Lobbyarbeit gegenüber der Bundesregierung, Verkehrsministerium sowie dem Umweltministerium. Und wir haben auf Landesebene, auf Kreiseben überall unsere Gliederungen die vor Ort Einfluss nehmen und versuchen Verkehrspolitik auch im Sinne des Radverkehrs mitzugestalten. 

Wie sieht der ADFC die Fahrradpolitische Entwicklung in Deutschland? Wird für Sie dem Pedelec Trend genug Rechnung getragen?

Krone: Also, der Wille ist schon da, wir haben schon das Gefühl, dass die Politik auf allen Ebenen verstanden hat, das Radverkehr etwas ist, was sehr sehr viele Probleme auf einmal lösen kann. – Verkehrsprobleme, Klimaprobleme, Gesundheitsprobleme, Platzprobleme und so weiter. Das viel Radverkehr auch viel Lebensqualität in eine Stadt bringt. – Aber das bedeutet eben auch zu investieren und das bedeutet eben auch dem Auto Platz wegzunehmen . Und da fängt es an zu knirschen und da ist die Politik häufig noch nicht bereit den Konflikt auszuhalten – auch mit der Autofahrerlobby. Das ist ja nicht nur die Industrie, sondern im Grunde jeder von uns. Denn, fast jeder von uns fährt nicht nur Fahrrad sondern ist auch ab und zu mal mit dem Auto unterwegs. Und da sehen wir doch in Deutschland dringenden aufbruchsbedarf. Die Kanzlerin hat vor drei Jahren hier auf der Messe [Eurobike] gesagt, Deutschland ist auch eine Fahrradnation. Aber um das wirklich auf der Straße zu sein, ist es noch ein ganz gehöriger Schritt.

 

Was hält der ADFC vom aktuellen Geschwindigkeitslimit für Pedelecs mit 25 km/h?

Krone: Naja, es ist insofern sinnvoll, dass Pedelecs bis 25 das Vorrecht genießen mit auf den Radweg zu dürfen und das wollen die Pedelec-Fahrer ja auch häufig. Die wollen gar nicht unbedingt auf der Straße fahren, sondern die wollen gerne – wenn ein guter Radweg da ist – auch auf dem Radweg fahren. Da [auf dem Radweg] ist die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 25 km/h durchaus sinnvoll. Wer ein 45ziger [S-Pedelec] will kann ja eines haben, darf dann aber nicht auf den Radweg, jedenfalls innerorts nicht.

Was halten Sie von einem Geschwindigkeitslimit von 32 km/h wie in der USA, gibt es dazu Bedenken ihrerseits?  

Krone: Ehrlich gesagt, für uns steht das nicht auf der Agenda. Ich glaube das war mal in der Debatte und es gab irgendeine politische Entscheidung, dass das im Moment nicht gewollt ist. Wir sehen das einfach nicht, dass im nächsten Jahr in Deutschland ein Thema ist.

Ein fahrradfreundlichen Arbeitgeber erkennt man an… ?

Krone:  Das er das Thema Fahrrad überhaupt mal auf die Agenda setzt. Vielleicht einmal im Jahr so einen Aktionstag macht und sagt: Toll das ihr zur Arbeit fahrt mit dem Rad. Vielleicht einen Reparaturservice anbieten, Mitarbeiter irgendwie mit Prämien belohnen, dass sie das tun. Eventuell ein Dienstfahrrad ermöglicht anstatt eines Autos – da gibt es ja auch tolle neue Möglichkeiten [Jobrad, Leasingrad, Eurorad etc…]. Wenn er dann noch irgendwie Umkleidemöglichkeiten und natürlich – am allerwichtigsten – gute Abstellgelegenheiten bietet, dann ist er wirklich ein fahrradfreundlicher Arbeitgeber. Und was man sagen muss, das Ganze hat eine betriebswirtschaftliche Komponente! Leute die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren sind im Durchschnitt einen Tag im Jahr weniger krank. Deswegen macht z.B. ein Chiphersteller – dessen Namen ich gerade vergessen habe – ein in Sachen produzierendes Unternehmen, extrem viel Sachen im Bereich Fahrradförderung. Weil sie wissen das Leute eben einfach gesünder sind. Und es ist am Tag eine dreistellige Summe die sie sparen mal der Anzahl der Arbeitnehmer. Das summiert sich schon – das lohnt sich auch für ein Unternehmen.

Welchen Punkt in der deutschen Verkehrspolitik sieht der ADFC am kritischsten bzw. wünscht sich schnellsten eine Veränderung?

Krone:  Ja das ist tatsächlich bei der Platzfrage. Wir werden jetzt auch ganz massiv nochmal mit den Parteien sprechen im Vorfeld vom Bundestagswahlkampf. Es reicht nicht zu sagen wir wollen den Radverkehr fördern. Es reicht nicht zu sagen Deutschland ist Europameister bei den Fahrradverkäufen – das nützt nichts wenn die Leute es nicht benutzten. Ich hab das auch vor paar Tagen getwittert, der Deutsche kauft zwar wie irre Fahrräder – er fährt sie aber nicht so richtig. Der Deutsche fährt ungefähr 300 km im Jahr – der Niederländer fährt ungefähr 1000 km im Jahr.

 

Wie kann man bei Ihnen effektiv mitarbeiten um an der Fahrradpolitik in Deutschland mitzuwirken? 

Krone:  Ja genau – mitmachen ist das richtige Stichwort. Wir sind ein Mitmach-Verein. Ich hab kürzlich eine Anfrage auf Twitter gehabt „wann kriegen wir mal ne Critical Mass [Spontane Massenfahrradausfahrt um auf Probleme im Radverkehr aufmerksam zu machen] hier in Waren an der Müritz?“. Eine Critical Mass kriegt man nicht – eine Critical Mass macht man! Und genau so ist es auch beim ADFC – wenn ich will, dass in meiner Stadt etwas passiert, dann kommt es auf mich an. Dann muss ich etwas tun, weil es in dem Feld ganz wenige Hauptamtliche gibt. Wir sind nicht so eine Institution, wie der ADFC sowieso nicht, aber auch nicht wie eine Partei. Wir sind darauf angewiesen das die Leute sich engagieren. Also entweder beim ADFC oder eine anderen Organisation stark zu machen, mitzureden bei Bürgerhaushalten, zu sagen wir brauchen pro Kopf mindestens 20 Euro Investition in Radinfrastruktur. Wem das zu wenig ist, der kann auch sich auf die Straße legen und demonstrieren gegen gefährliche Kreuzungen und andere Dinge. Das ist in Berlin gerade sehr erfolgreich. Es kommt wirklich auf die Einzelnen an und der ADFC ist natürlich die Heimat derjenigen die sich engagieren wollen. Aber es reicht nicht zu sagen „ich bin da Mitglied“ -  das ist ein erster Schritt – aber es lohnt sich immer auch wirklich aktiv zu werden, mal hinzugehen zu so einem Abend, was machen die und wie kann ich mich da engagieren.

 

Welche aktuellen Kampagnen gibt es vom ADFC?

Krone:  Wir sind nicht so wirklich stark in Kampagnen – muss ich ganz ehrlich sagen. Die eine die gerade heute startet (01.09.16)  ist der Fahrradklima-Test -  Unsere große Umfrage, mit Unterstützung vom Bundesverkehrsministerium. Wo wir jetzt regelmäßig alle zwei Jahre in den Städten in Deutschland  die Radfahrer selber fragen „wie geht es euch auf der Straße“.

 

Selber heißt wirklich „Klemmbrett“ – „Hallo Fahrradfahrer, halt mal kurz an“?

Krone:  Es ist hauptsächlich Online – www.fahrradklima-test.de 
Man kann auch in vielen Apotheken und bei unseren Kreisgeschäftsstellen die Fragebögen auch auf Papier bekommen, aber es läuft hauptsächlich Online. 27 Fragen, dauert 10 Minuten und es geht um so Sachen wie „macht’s Fahrradfahren bei Ihnen Spaß oder Stress?“ – „wird man angehupt?“,  „als Radfahrer ernstgenommen?“, „welche Radwege – gibt es überhaupt Radwege?“, „werden die im Winter geräumt?“.

Wir stochern mit vielen Fragen hinterher, etwa wie ist die Infrastruktur, tut die Stadt etwas. Es ist keine Faktenrecherche im Sinne von „wie viel Kilometer, mit welchem Belag, in welcher Breite gibt es in der Stadt?“, das können wir nicht leisten. Sondern es ist mehr oder weniger das Kundenbarometer – was kommt von Radverkehrspolitik wirklich bei denen die es nutzen an.

 

Wie ist die Zusammenarbeit mit anderen Fahrradverbänden auf internationaler Ebene wie etwa EU-weit?

Krone:  Wir sind Gründer des ECF – der European Cycling Federation. Das ist quasi unsere europäische und jetzt mittlerweile auch weltweite Dachorganisation, die unsere Interessenvertretung auf EU-Ebene ist. Sie macht internationale Veranstaltungen wie die Velo-City jedes Jahr – einmal in Europa und einmal in der Welt. Die letzte war in Taipei [Taiwan], die nächste ist in Antwerpen. Überall da, wo es interessante Fahrradstädte und Fahrradnationen gibt ist die Velo-City zu Gast. Sie wirbt auch international und schafft auch international Benchmarks. Radverkehr ist auch so etwas wo viel noch ausprobiert werden muss, da gibt es kein Regelwerk, wo man sagen kann dieses Modell ist 100 Prozent. Auch Halleluja Kopenhagen und auch Halleluja Amsterdam – ist nicht das letzte Wort, da gibt es immer noch Verbesserungsmöglichkeiten. Und dazu dienen diese Konferenzen, wirklich dieses Austauschen und die „gute Kunde zu vermehren“ weltweit. 

Vielen Dank an Frau Krone für das interessante Gespräch.

Das Gespräch führte Christoph Schradi (Redaktion "Alles Fahrrad / fahrradhaendler-verzeichnis.com")

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