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Fahrradgeschichte

Firmentrivia HP Velotechnik

Von zwei Garagentüftlern zur international erfolgreichen Liegeradmanufaktur. Der Frankfurter Liegeradhersteller HP Velotechnik im humoristischen Portrait

Firmentrivia HP Velotechnik

Wer als Jugendlicher sein Taschengeld nicht als Zeitungsausträger aufgebessert hat, der hatte entweder einen besseren Job oder reiche Eltern. David Pulvermüller und Paul Hollants hatten das Glück einen der solchen begehrten Jobs ausüben zu dürfen und zu allem Überdruss hatten Pulvermüllers Eltern auch noch eine Garage. Es kam wie es kommen musste, das Austragen war beschwerlich, was lag also näher als ein Rad zum Zeitungstransporter umzufunktionieren. Herhalten musste dafür Pulvermüllers BMX Rad, was sich mehr recht als schlecht bewährte. Die beiden fleißigen Zeitungsausträger im Teenageralter, kannten sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch David Pulvermüllers Konstruktion machte den jungen Hollants neugierig, sodass er diesen darauf ansprach – eine Freundschaft und gemeinsame Leidenschaft entwickelte sich

Mitfirmengründer Paul Hollants vor HP Velotechniks Rahmenprüfstand
Firmenmitgründer Paul Hollants merkt man seine Leidenschaft 
für's Liegerad in jedem seiner Sätze an

Die gemeinsame Idee war, ein regensicheres Fahrrad für die Fahrt zur Schule zu bauen. Das Studium zahlreicher Bücher aus der deutschen Bibliothek von Frankfurt zeigte den Jungs, dass Ihre Idee keinesfalls neu war. Ähnliche Gefährte gab es schon seit einigen Jahrzehnten unter dem Namen „Velomobil“. Darunter versteht man vollverkleidete Liegeräder, welche neben hohen Geschwindigkeiten auch Schutz gegen Regen bieten. 

Beispiel eines Velomobils (nicht von HP Velotechnik)
Beispiel eines vollverkleideten Velomobils - nicht von HP Velotechnik



Das erste eigene Modell, damals noch ohne Dach, aufgrund dafür fehlendem Werkzeug und Knowhow, brachte beim Hessenausscheid beim Autohersteller Opel, unerwartet Ruhm ein. Die damals noch schulpflichtigen Abiturienten sahen sich so 1989 in noch jungen Jahren der intensiven Berichterstattung allermöglicher Zeitung ausgesetzt. Anstatt dem Schweißbrenner aus der Schule zu nutzen und Liegestühle zu Sitzen umzubauen, wurden nun Werkzeughersteller zwecks Sponsoring angefragt – und das auch mit Erfolg. 



Ein wenig mehr Buchstudien und viele Tüftelstunden später steht dann 1992 der Bundeswettbewerb des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) an, ein Gegenentwurf der Maschinenbauer zu den anderen damals sehr ökologisch und biologisch geprägten Erfinderwettbewerben.

Hollants belegte den ersten Platz,  mit einem Velomobil, welches zwar nicht besonders windschnittig war, dafür aber vor Regen schützte. Als praktikabel konnte es sich laut Hollants dabei aber leider nicht erweisen, so waren weder die Fahrradinfrastruktur der damaligen Zeit bereit für ihr eigenwilliges Vehikel, noch ihr dreirädriges Gefährt besonders alltagstauglich. Dank fehlenden Scheibenwischern und Ventilationskonzept wurden Regenfahrten eher unangenehm, vor allem bei den nachts stark blendenden Autoscheinwerfern. Pulvermüller fungierte bei diesem Projekt eher Hintergrund, war er doch zu diesem Zeitpunkt knapp zu alt für die offizielle Wettbewerbsteilnahme. 

Die Urkunde sowie das Gewinnerfahrzeug des VDI Wettbewerbs im Jahr 1992 zieren bis heute die Hallen von HP-Velotechnik
Die Auszeichnung des Verbands deutscher Ingenieure sollte nicht die letzte der beiden Tüftler sein - auch wenn die Idee des Gewinnerfahrzeuges bald nicht mehr weiter verfolgt wurde 



Die jungen Erfinder merkten schnell, wie groß der Spaßfaktor beim Radfahren ist, wenn einem der Wind durch die Haare streicht und man im Liegerad per Panoramablick die Landschaft einsaugt. Den Fahrspaß ließen sie sich deshalb weder von fehlenden Tempo 30 Zonen, quasi nicht vorhandener Fahrradinfrastruktur sowie drängelnden Autofahrern vermiesen. Klar wurde Ihnen hierbei aber vor allem eines – ein Velomobil ist für Tüftler und Geschwindigkeitsfreaks perfekt – für den Massenmarkt aber meist eher impraktikabel. Dies ist einer der Gründe warum HP Velotechnik bis zum heutigen Tage immer noch kein Velomobil in Serie gefertigt hat


Satt Velomobile stehen deshalb heute Alltagsräder für Weltreisende, Senioren, Kinder, Erwachsene oder gar körperlich Beeinträchtigte im Vordergrund bei HP Velotechnik.

Statt auf Velomobile setzt HP Velotechnik auf praktikable Räder für Jung und Alt
(Bild: www.hpvelotechnik.com)

Wer sich zu alt für ein herkömmliches Fahrrad fühlt, wird bei HP Velotechnik fündig werden. Seit 2015 wird so sogar  Räder und Rehazubehör in Zusammenarbeit mit Ärzten als Medizinprodukt angeboten –  das Kinder-Reha-Rad (Gekko FX s) ist mit einer Hilfsmittelnummer zertifiziert- neue Mobilität trotz körperlicher Einschränkungen 


 

Neben dem Ruhm ließ auch die Nachfrage nach Ihren Konstruktionen nicht lange auf sich warten. Der erste Käufer eines sehr frühen Modells der heutigen „Street Maschine“, ein heute vollgefedertes zweirädriges Liegerad, damals revolutionär mit gefedertem Hinterbau, war dann der Wirtschaftslehrer Hollants. Veranschlagt wurde ein Kaufpreis von etwa 1700 Mark, was laut der Rechnung der jungen Tüftler ungefähr die Herstellungskosten decken müsste. Zwar war die Produktion von Liegerädern von den beiden so nie geplant, weshalb auch keinerlei Business- oder Finanzierungsplan vorlag, aber man fand immer mehr Gefallen am Liegeradbau


Ein frühes Modell der Streetmachine von HP Velotechnik
Einer der ersten einspuriger Kurzlieger von HP Velotechnik – so ähnlich verkauft an Hollants Wirtschaftslehrer


Die Leidenschaft für den Liegeradbau war ungebrochen, sodass neue Konstruktionen nicht auf sich warten ließen. Der Tüftelspaß wurde nur durch die Realität etwas getrübt, so war laut Hollants die Suche nach Lieferanten für Bauteile mehr als schwierig. Darüber hinaus war ein Kauf der Teile ohne Gewerbeschein nicht möglich. Trotz Gewerbeanmeldung wurden Anfragen direkt abgelehnt oder die angebotene Menge überstieg den Bedarf um weiten. Die auf einer Messe in Köln kennengelernten taiwanesischen Rahmenbauer waren da weniger kompliziert und boten sich als Geschäftspartner an. Da Firmen auch einen Namen brauchen, lag es für die Gründer nahe der Einfachheit halber einfach den ersten Buchstaben ihres Nachnamens zu nehmen und ein „Velotechnik“ hinten dran zu hängen. Die Abkürzung HPV spielt mit dem Begriff „Human Powered Vehicle“, bei dem es um den Bau eines schnellen menschlich angetriebenen Fahrzeuge geht. HPV ist heute der Name viele nationaler Liegeradverbände und Vereine.


Das heutige Firmenlogo von HP Velotechnik
Der Firmenname von HP Velotechnik ist weit mehr als nur ein Spiel mit den Namen der Firmengründer



Während ihr erstes gefedertes Modell noch mit Waschmaschinendämpfern und Technik aus dem Motorradbereich arbeitete, kommt heute bei HP Velotechnik auf Fahrwerkstechnik aus dem Automobilbau zum Einsatz, insbesondere das McPherson-Federungskonzept (Federbeine, Stabilisator, Querlenker).  

Daneben schlägt man sich mit Themen herum, die auch andere Fahrradbauer beschäftigen. No-Squat und No-Kickback sind nur einige der Konzepte, welche HP Velotechnik dabei umsetzt. Konstruktiv herausfordernd bleibt – trotz jahrelanger Erfahrung im Trike-Bereich – vor allem ein ausgewogenes, stimmiges Federungskonzept am Trike zu verwirklichen.

No-Squat (auch bekannt unter No Pogo) ist auch bei Liegeradherstellern wie HP Velotechnik ein Thema


Statt 11 kW Drehbank und zwei emsigen Tüftlern stehen im Jahr 2016 allerdings eine eigene Fertigungsstätte sowie rund 35 Mitarbeiter bereit, das perfekte Liegerad zu entwickeln, zu bauen und zu vertrieben. Damit auch jeder das passende zwei- oder dreirädrige-Gefährt findet, bietet HP Velotechnik 15 Modelle mit insgesamt rund einer halben Million an Variationsmöglichkeiten. 

HP Velotechniks Gelände-Trike zeigt dass das Liegerad auch im Gelände viel Spaß machen kann
Auf die Idee ein Enduro-Trike in Serie zu bauen kommen wohl auch nur die Tüftler von HP Velotechnik


 

Fun Fact:

Während man in Japan um 93 schon mit Pedelecs erste größere Erfolge feierte, waren diese in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch relativ unbekannt. Dies hielt jedoch Pulvermüller und Hollants nicht davon ab, schon bei ihrem Projektgewinn 1992 beim VDI Wettbewerb auf die Elektromobilität einzugehen. Der letzte Absatz in ihrer Projektarbeit resümiert folgerichtig, dass bei einem elektrisch angetriebenen Fahrrad der Motor nur unterstützendend wirken dürfe, da es sonst quasi ein Auto wäre. Wie man sieht – genau dieses Konzept findet heute breitflächig anklang – nicht unerheblich auch bei HP Velotechnik Kunden. 


HP Velotechnik seiner Zeit voraus - schon 1992 griffen Sie das Thema Pedelec in einem Erfinderwettbewerb auf



 
 

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